Eine Großstadt, sei es jetzt Wien, New York oder Moskau,
eignet sich schlecht als Handlungsort für einen Horrorroman. Zu viele Menschen,
eine zu gute Beleuchtung und zu wenig Platz für das Unbekannte. Darum verlagern
viele Autoren ihre Geschichten gerne in ländliche Gebiete. So auch Stephen
King, der in seinen Werken gerne eine romantisierte Version der amerikanischen
Kleinstadt transportiert.
Wer schon einmal eine Kurzgeschichte oder einen Roman von
Stephen King verschlungen hat ist mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit der
kingschen Darstellung einer idyllischen, ländlichen Kleinstadt begegnet. Sei es
in Kings Endzeit-Epos “The Stand“, in seinem Vampir-Thriller “Brennen muss
Salem“ oder auch in Kurzgeschichten wie “Children of the corn“ oder “Die Leiche“. King stellt seine Kleinstädte als möglichst idyllisch dar, oft auch als
Rückzugsorte für Menschen, die von dem Stadtleben geschunden sind (wie zum
Beispiel in “Brennen muss Salem“), um dann diese Idylle zu zerstören: in “Children
of the corn“ töten sämtliche Kinder der Ortschaft ihre Eltern um eine Sekte zu
gründen, in “Brennen muss Salem“ wird die Kleinstadt von einem Vampir überrannt
und fast die ganze Bevölkerung weggeschlachtet. Was Stephen King auf jeden Fall
gerne macht: Idyllen zerstören.
King benutzt gerne einen Trick um die Atmosphäre seiner
Kleinestädte zu erschaffen: kindliche Perspektiven. Der amerikanische Kultautor schafft es
immer wieder in seiner Darstellung an Erfahrungen, die die meisten von uns als
Kinder erlebt haben, anzuspielen. Die Gruppe von Freunden in “Die Leiche“, die
aus ihrer normalen Welt ausbrechen und sich auf ein Abenteuer wagen, erinnert
an eine Fantasie, die sicher jedes Kind schon einmal verspürt hat. Brennende
Ferientage in der Freunde sich eine Clique an Freunden aufmacht um ein jahrhundertealten
Clown zu bekämpfen, wie in “Es“. Kings Romane verkörpern oft ein Gefühl von
kindlicher Abenteuerlust. Oft steht ein minderjähriger Charakter für eben diese
Empfindungen parat. Kings Kleinstädte haben dadurch ein Gefühl von gefälschter
Nostalgie.
Besonders interessant: nicht-amerikanische King-Leser kennen
das Leben in den Kleinstädten der USA nur durch Erzählungen. Kings-Erzählungen
verschwimmen mit Klischees über das Leben in den USA zu einer sehr schwammigen Perspektive
aus Fiktion und Realität.
Ein Aspekt, der besonders in den Horror-Romanen Kings
hervorsticht, ist die Abgeschiedenheit der amerikanischen Kleinstadt. In “Children
of the corn“ sind die Hauptcharaktere die Ersten, die die von der Kindersekte kontrollierten
Stadt finden, in “Brennen muss Salem“ dauert es einige Tage bis realisiert
wird, dass die Bewohner der Kleinstadt verschwunden sind. Ein Erzähltrick, der
in der Tradition Lovecrafts steht. H.P. Lovecraft, der Autor, der quasi den
Sci-Fi-Horror revolutioniert hat, siedelte oft seine Geschichten in Kleinstädten
Neuenglands an. In “Schatten über Innsmouth“ stolpert zum Beispiel der
Hauptcharakter über ein entlegenes Dorf, das von einer Sekte kontrolliert wird,
in “Das Grauen von Dunwich“ bekommt es die Bevölkerung eines Dorfes mit einem
neugeborenen Monster zu tun, und in “Der Fall Charles Dexter Ward“ wird gleich
die ganze dunkle Geschichte einer Kleinstadt aufgedeckt. Wenn man Kings Werke
liest, merkt man faszinierenderweise wie Lovecrafts Idee von einem vom Bösem
und Unbekanntem heimgesuchten Dorf von King weiterentwickelt wurden und in ein
modernes Korsett geschnürt wurden.