Videospiele sind für Vieles bekannt: WASD drücken um sich in
einem virtuellen Raum zu bewegen, hauptsächlich. Aber die Wörterkombinationen „grandiose
Geschichte“ und „bemerkenswerte Charakterzeichnung“ tauchen womöglich in
Zusammenhang mit diesem Medium selten auf, wenn auch die storytechnisch minimalistischen
Zeiten von Quake und Super Mario lange der Vergangenheit angehören. Bei Night
in the woods, von Infinite Fall, kann man es durchaus durchgehen zu lassen
diese Wörterkombinationen zu verwenden.
Night in the woods behandelt Vieles: missverstandene
Nostalgie, Freundschaft, den Wandel der Zeit, zurückgelassene Jugend, Arbeiterrecht,
lovecraftsche Monster und vor allem eins: Alltag. Hinter dem gelb und orange
gestalteten Backdrop eines Spätherbstes wiederholt Night in the woods kleine
Abläufe immer wieder, Aufwachen, Freunde besuchen, irgendeinen Unsinn anstellen
und Schlafen gehen, rinse and repeat. Spielerisch ist das Ganze recht dünn, man
bewegt sich zwar selber aber es gibt sehr viel (wenn auch sehr realitätsnahen)
Text, unterbrochen wird die Monotonie (von sowohl Gameplay als Spielstruktur) von
kleinen Minispielen,
Während Deus Ex und Heavy Rain ihre
Entscheidungsmöglichkeiten werbeeffizient in die Welt hinaus schreien, bleibt
Night in the woods ganz im Charakter und schweigt. Überraschenderweise kann man
mehr an der Handlung verändern als erwartet und auch mit etwas
Erforschungsdrang und Experimentierfreude kann man äußerst viele kleine Nebenhandlungen
finden, von den meisten ich erst erfahren habe als ich sie in Youtubevideos
erwähnt sah. Und keine dieser Nebenspuren fühlt sich wie eine holprige
Landstraße an, sondern diese sind so gut wie immer so gut geschrieben wie das
Hauptspiel und strotzen auch voll herbstlichen Bildern und interessanten Themen.
Night in the woods lässt sich auch Zeit, was manchmal zu einem langsamen
Spieltempo führt, aber auch so Themen wie dem Aufrechhalten einer Vorstellung
einer Blütezeit mit allen Mitteln und zum Leidwesen anderer mit einem
angemessenen Aufwand behandelt.
Wo es aber Night in the woods komplett schafft ein beeindruckendes Ergebnis
hinzulegen, ist die Charakterzeichnung. Von der Protagonistin, Mae, bis hin zu
ihren Freunden sind ein Großteil der storyrelevanten (und sogar einige der
Nebencharaktere) nachvollziehbar, sympathisch, mit ihren eigenen Hoffnung und Sorgen
aber auch mit ihren eigenen Abgründen und Gemütsstörungen gezeichnet. Die große
Anzahl an Text, deren Ausmaß teilweise an 2-D-Rollenspiele á la Planescape:
Torment erinnert, ermöglicht eine relativ genaue Charakterbildung aber ohne zu
oft in lange Expositionswellen zu verfallen. Und das ist etwas was man in einem
Videospiel nicht jeden Tag sieht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen